Freiburger Schlaf in einem Fall internationaler Kriminologie

Veröffentlicht von Gedankensammler am


Der Schriftsteller Ernest Raymond schrieb mit „We, the accused“, einen Tatsachenroman über den von Dr. Hawley Harvey Crippen 1910 begangenen Mord an seiner zweiten Frau, der Varietekünstlerin Belle Elmore.
Crippen verwendete dabei den sogenannten Freiburger Schlaf, eine in Freiburg von Carl Joseph Gauss entwickelte Methode Dämmerschlaf zu erzeugen. (Ganz ähnlich heute bei einer Darmspiegelung, bei der Midazolam, das das Scopolamin einige Zeit auch als Wahrheitsserum ablöste, mit Propofol kombiniert wird.)

der Beginn der modernen forensischen Pharmakologie und internationalen Kriminologie


Aus den zahllosen Besonderheiten und Dualitäten greife ich nur zwei Punkte heraus, die sofort belegen, wie sehr dieser Fall ein Kondensationspunkt der Moderne ist:

  • Zum einen markiert er den Beginn der modernen forensischen Pharmakologie, da es dem Pathologen und Rechtsmediziner Bernard Spilsbury gelang, das Vorhandensein einer tödlichen Dosis mit einer eigens entwickelten Methode in einer Gewebeprobe von Belle Elmores Leiche zu belegen und als Beweis vor Gericht einzuführen.
  • Zum zweiten ist es der Beginn der internationalen Kriminologie.
    Crippen und seine Geliebte, Ethel Clara Neave schifften auf ihrer Flucht in Antwerpen unter falscher Identität auf der „SS Montrose“ ein. Beide hatten ihr Äußeres verändert: Crippen hatte seinen markanten Bart abrasiert und trug keine Brille mehr, Ethel Neave kaschierte ihre Figur mit einem eigens präparierten Anzug und gab vor, der Sohn ihres Begleiters zu sein.
    Doch der Kapitän der Montrose, Henry George Kendall war bereits per Funktelegramm über die Fahndung in dem Fall aufmerksam geworden und hatte schnell einen Verdacht. Kendall informierte im Gegenzug ebenfalls per Funktelegraphie die britischen Behörden über die falschen Identitäten und Maskeraden.
    Darauf reagierte Scotland Yard in Person von Walter Dew umgehend: Dew schiffte sich auf der SS Laurentic ein, die schneller war als die Montrose, und erreichte so noch vor Crippen und Neave den amerikanischen Kontinent. In Quebec angekommen verkleidete sich nun Inspektor Dew seinerseits als Lotse und konnte unter diesem Vorwand Crippen noch vor Erreichen des Festlandes festnehmen!
    Somit war es auch der erste Kriminalfall, der mit Hilfe internationaler Funktelegraphie gelöst wurde.